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Pflichtteil-Konstellation: „Zweite Ehe“

Rechtsanwalt Wolfgang Odoj LL.M.    |    19. September 2018    |    überarbeitet 2. Januar 2023

Ist der Erblasser nach einer Scheidung oder als Witwer in zweiter Ehe verheiratet. Dann will er meist, dass sein aktueller Ehegatte möglichst viel von seinem Vermögen bekommt.

Kinder aus früheren Ehen sollen deshalb häufig nach dem Erblasserwillen so geringe Ansprüche wie möglich haben.

In der Pflichtteil-Konstellation „Zweite Ehe“ werden oft (unzulässige) Strategien zur Pflichtteilsvermeidung angewandt, um einzelne oder alle Kinder des Erblassers zu benachteiligen.

Typische Fehler, die einem pflichtteilsberechtigen Kind in dieser Pflichtteil-Konstellation unterlaufen können:

  • unkritisch lediglich den vorhandenen Nachlass zu berücksichtigen
    (z.B. nicht zu hinterfragen, wie die Eigentumsverhältnisse betreffend das vorhandene Vermögen des Erblassers und seines Ehegatten zustande gekommen sind)
  • ohne rechtliche Prüfung auf eine vermeintliche Bindungswirkung des Testaments zu vertrauen und von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen abzusehen
  • die Wirkung von Pflichtteilsstrafklauseln nicht richtig zu erfassen

Rechtliche Prüfung

Wie in allen Erbfällen sollte unmittelbar nach dem Erbfall und noch vor Veranlassung gleich welcher Schritte die erbrechtliche Lage geprüft werden.
Forderungen sollten erst dann an den Erben oder die Erbin gerichtet werden, wenn Klarheit über die eigene rechtliche Position besteht.

Auskunft verlangen

Gerade in Fällen, in denen der Erblasser über längere Zeit mit dem Erben in enger Beziehung stand und gewirtschaftet hat, ist es erforderlich, ein unmissverständliches und uneingeschränktes Auskunftsverlangen an den Erben zu richten.
Damit werden dem Erben Ausfluchtsmöglichkeiten abgeschnitten.
Verfügt das pflichtteilsberechtigte Kind über Anhaltspunkte für lebzeitige Vermögensübertragungen des verstorbenen Elternteils, so ist diesen unbedingt nachzugehen.

Ziel der Eigenermittlungen wie auch der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen ist es, den gesamten vorhandenen Nachlass sowie sämtliche Vermögensverschiebungen aufzudecken.

Hierzu gehören insbesondere:

  • lebzeitige Kontoumschreibungen auf den späteren Erben
  • Aufnahme eines Kontomitinhabers in ein vormaliges Einzelkonto des Erblassers
  • vorzeitige Überlassung von Eigentum bzw. Miteigentumsanteilen an Immobilien
  • Bezugsrechtseinräumung (Begünstigung) betreffend Lebensversicherungsverträge, Verträge zu Gunsten Dritter auf den Todesfall bei Bank- und Bausparguthaben

Pflichtteilsergänzungsansprüche

In der Pflichtteil-Konstellation „Zweite Ehe“ sind Pflichtteilsergänzungsansprüche besonders im Auge zu behalten.
Lebzeitige Übertragungen an den aktuellen Ehegatten (Geschenke / ehebedingte Zuwendungen) müssen deshalb gründlich ermittelt und rechtlich bewertet werden.

Für unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten beginnt die Abschmelzung bzw. die 10-jährige Ausschlussfrist des § 2325 BGB übrigens erst mit Ende der Ehe zu laufen.
Daher sind in der Regel sämtliche ehezeitigen Schenkungen pflichtteilsergänzungsrelevant!

Gut zu wissen:
Pflichtteilsergänzungansprüche
können sich daher beispielsweise auch aus Schenkungen an den Ehegatten ergeben, die schon mehrere Jahrzehnte zurückliegen.